"Einfach mal die Tür zumachen"

Wie Management Mensch und Tier das Zusammenleben erleichtert

Quasi täglich werde ich mit der Frage konfrontiert, wie man denn mit diesem oder jenem Bedürfnis des Tieres umgehen sollte, ohne Grenzen über Strafe zu setzen. Es geht um Verhalten, die der Mensch als „Problem“ erachtet oder das in gewisser Weise die Grenzen des Menschen überschreitet. Da wäre zum Beispiel die Katze, die unverschämterweise auf die Küchenablage springt, der Hund, der lieber auf der Couch oder im Bett seines Menschen liegt, statt auf dem Boden oder das Pferd, dass sich an der Futterschüssel bedient, die der Mensch schon mal bereitgestellt hat. Dabei erstaunt es mich immer wieder, dass die Menschen eher bereit sind, ihr Tier zu bestrafen und einzuschüchtern, statt einen Kompromiss einzugehen und Management (Vermeidung) zu betreiben.

Management

Management ist eine Möglichkeit, die Situation so zu gestalten, dass unerwünschtes Verhalten gar nicht erst auftreten kann. Damit werden also Situationen vermieden, die letztlich zum Einsatz von Strafe führen. Leider wird diese Möglichkeit häufig nicht in Betracht gezogen. Stattdessen wird der Einsatz von Management als Zeichen von Trainingsdefiziten, Unvermögen oder Schwäche ausgelegt, weil Management nicht bedeutet, aktiv am "Problemverhalten" zu trainieren. Tatsächlich ist es jedoch eine schlaue Möglichkeit, beziehungsschädigende Konflikte zwischen Tier und Mensch zu vermeiden.

Das Verhalten des Tieres dient in erster Linie dem Tier selbst. Ein Tier ist kein Wunscherfüller, so wie es sich der Mensch oft vorstellt. Es ist dem Menschen keinen Gefallen schuldig. Bietet sich eine Möglichkeit, zu mehr Komfort oder dazu, seine eigene Situation zu verbessern, so liegt es in ihrer Natur, diese auch zu ergreifen. Für ein Pferd ist es keineswegs respektlos, dass hochwertige Futter aus der nebenstehenden Schüssel auch zu fressen, sondern als Dauerfresser völlig natürlich und instinktiv. Sicherlich kann man es Ihnen beibringen, bis zur Freigabe abzuwarten. Aber insbesondere im Training mit positiver Verstärkung, würde dieses einen deutlichen Trainingsaufwand bedeuten und auch eine permanente Überprüfung und Auffrischung, da wir hier gegen einen besonders hochwertigen Verstärker antrainieren. Hier muss man sich tatsächlich fragen, ob diese Zeit nicht anderweitig und für beide Seiten "befriedigender" genutzt werden kann. Schließlich ist es ein leichtes, die Schüssel einfach woanders hinzustellen oder erst später hinzuzuholen. Muss ich das Pferd tatsächlich neben dem unbeliebten Paddocknachbarn anbinden, wenn sich hierbei immer wieder Konflikte durch Beißattacken und „Angiften“ ergeben, sondern kann ich nicht einfach woanders hingehen oder später putzen?

Für die Katze ist erkunden und stöbern ein Grundbedürfnis, ebenso wie das Suchen nach Futter. Auch Klettern ist ihr in die Wiege gelegt. Natürlich werden dabei auch die besonders interessanten und höher gelegenen Arbeitsplatten in der Küche gerne erkundet. Dass sich "das nicht gehört" kann die Katze nicht verstehen, da es für Sie völlig natürlich ist, sich so zu verhalten. Sicherlich kann man trainieren, dass zumindest in Anwesenheit des Menschen nicht auf der Platte herumgetanzt wird, aber spätestens, wenn der Mensch nicht mehr da ist oder man dort einmal etwas zu Essen stehen gelassen hat, gestaltet sich dieses schwierig. Es passiert leicht, dass einem das Training zusammenbricht, weil zuvor bestraftes Verhalten auf einmal hochgradig lohnenswert ist, oder sich auf der Platte herumspringen für die Katze ganz einfach viel besser anfühlt, als das endlose Warten auf die Belohnung am Boden. Stattdessen macht es der Katze gar nicht viel aus, wenn das Futter an einem anderen Platz in der Wohnung gegeben wird und die Küchentür geschlossen bleibt, solange Sie anderer Orts in der Wohnung ihr Erkundungsverhalten und Kletterbedürfnis ausleben kann.

Ob und in welcher Form sich Management eignet, seine Probleme "zu lösen" ist abhängig davon, wie zuverlässig dieses genutzt werden kann. Denn Management bedeutet oftmals auch, dass das das ursprüngliche Problem nicht aktiv bearbeitet wird und somit auch weiterhin auftritt, wenn man das Tier dieser Situation aussetzt. Dieses zu verstehen und vor allen Dingen zu akzeptieren ist wichtig! Wenn ich das Zusammentreffen mit anderen Hunden auf den Spaziergängen vermeide und nicht parallel kleinschrittig auftrainiere, kann ich nicht erwarten, dass sich das Problem in Luft auflöst. Unter Umständen kann ein unerwartetes Zusammentreffen dann für Hund und Halter unschön enden, wenn man keinen Plan B hat (z.B. sich entfernen und in Entfernung den Hund ablegen oder "drüber weg füttern"). Dessen sollte man sich bewusst sein und realistisch einschätzen, ob Management eine dauerhafte Maßnahme sein kann. Wenn ja: prima, denn so haben wir wertvolle Zeit gewonnen. Das ist keine Schande, eher im Gegenteil. Es ist ein Abwägen und Einschätzen erforderlich und auch eine Frage des eigenen Ermessens, ob man z. B. damit leben kann, dass der Hund ab und an solchen Situationen ausgesetzt werden kann und ob und wieviel Strafe hier erforderlich ist - und natürlich, ob man selbst damit umgehen kann, diese einsetzen zu wollen.

Im Falle eines Hundes, der gerne auf der Couch liegt, wenn die Besitzer nicht zuhause sind, ist es sicherlich deutlich einfacher einfach die Tür zu schließen oder eine robuste Decke auf die Couch zu legen, statt erwünschtes Alternativverhalten zu trainieren. Hier ist eher ein Kompromiss seitens des Halters gefragt und die Management Maßnahme kann dauerhaft eingesetzt werden. Bei oben genannten Hundebegegnungen ist es schon schwieriger, da diese sich sicherlich nicht immer vermeiden lassen. Hier kann Management eine vorübergehende Maßnahme sein und helfen, unangenehme Erfahrungen zu minimieren und in der Zwischenzeit kontrolliert zu trainieren.

In manchen Fällen erledigt sich das Fehlverhalten tatsächlich, weil das Tier durch eine anderweitige Verstärkungshistorie, die in der Zwischenzeit aufgebaut wurde, andere Optionen gar nicht in Betracht zieht oder diese weniger attraktiv sind. Das mit dem Pferd am losen Strick über Gras kann beispielsweise "einfach so" funktionieren, wenn das am losen Strick laufen anderweitig bereits lange und hochwertig belohnt wurde und in der Zwischenzeit Situationen vermieden wurden, in denen es zu Auseinandersetzungen oder ungewollter Verstärkung durch "ins Gras beißen" ;) kam. Dann ist Gras auf einmal nur ein weiterer Ablenkungsfaktor, den man ins normale Training problemlos integrieren kann. Habe ich mit dem Hund schon lange trainiert, dass es sich lohnt, neben mir abzusitzen, kann ich nach und nach kontrolliert die Entfernung zwischen unserem und dem fremden Hund verringern, weil bereits genügend Belohnungsmasse aufgebaut wurde.

Es lohnt sich außerdem auch einen Blick auf die Bedürfnisse und Empfindungen des Tieres zu werfen. Vielleicht ist das Pferd, das trotz guter Vorbereitung zum Gras zieht einfach nur hungrig, weil es kurz vor seiner Mahlzeit steht oder zu wenig zu Fressen bekommt. Vielleicht knurrt oder bellt der Hund bei Hundebegegnungen gar nicht aus Aggressivität gegenüber seinen Artgenossen, sondern - viel wahrscheinlicher - weil sein Individualabstand und sein Sicherheitsbedürfnis bisher ignoriert wurden und stattdessen sogar noch unbewusst gestraft wurde, indem der Mensch den Hund unsanft am Halsband weiterzog! Oftmals braucht es einen deutlichen Blick von außen, um solche Fallstricke aufzudecken, damit man gezielt daran arbeiten kann.

Es muss sich außerdem auch die Frage gestellt werden – rein ethisch gesehen – ob und inwieweit es überhaupt legitim und vertretbar ist, dass Tier für sein eigenes Vergnügen zu bestrafen oder weil man nicht Willens (ja, ich meine tatsächlich „zu faul“ ;)) oder in der Lage ist, erwünschtes Alternativverhalten zu trainieren. Natürlich ist es angenehm, wenn man mit der Freundin beim Ausreiten tratschen kann. Doch wenn sich die beiden pferdigen Ausreitpartner nicht verstehen, ist der Ausritt allerhöchstens für die Zweibeiner amüsant und für die Pferde eher stressig. Situationen, die dann mit Strafe beantwortet werden (müssen, weil es gefährlich wird), sind so vorprogrammiert. Gleiches gilt übrigens z. B. auch für Spaziergänge oder Treffen mit anderen Hundehaltern, wenn sich Hunde nicht leiden können oder ganz einfach noch nicht gelernt haben, wie man miteinander umgeht. Manche Hunde brauchen auch einfach keine „Fremdhundegesellschaft“, sondern sind mit wenigen bekannten Kontakten völlig zufrieden und mit sich im Reinen. Hier ist oftmals der Mensch derjenige, der sich am Anblick der herumtobenden Vierbeiner erfreuen möchte und damit seine eigenen Bedürfnisse auf den Hund übertragen möchte. Der Grund, warum Katzen hier so selten auftreten ist übrigens, weil Katzen sehr häufig (zu Unrecht) als „nicht trainierbar“ eingestuft werden und Management so eine völlig legitime und bewährte Methode gegen unerwünschtes Verhalten darstellt.

Für gutes und durchdachtes Management muss sich niemand Schämen. Im Gegenteil, es zeugt davon, dass die Bedürfnisse des Tieres respektiert werden und das Tier als eigenständige Persönlichkeit erkannt wird. Es zeugt von Stärke, dass das Verhalten des Tieres neutral als Information betrachtet und nicht als Angriff des eigenen Egos oder "Status" betrachtet wird. Es zeugt von Schläue und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, Management alleinstehend oder in Verbindung mit solidem Training einzusetzen, um Probleme tiergerecht und fair zu lösen. Dann ist Management keine Vermeidung, sondern eine gut gewählte Chance, die Beziehung durch "problembehaftetes Verhalten" sogar noch zu stärken und gemeinsam Wege zu finden, die für Tier und Mensch gangbar sind. Viel zu häufig müssen die Tiere zu unserem eigenen Vergnügen zurückstecken, weil wir unsere Bedürfnisse über die ihren stellen. Die Tiere geben uns so viel von sich - fragen wir uns, was wir für sie tun können


Autorin:
Sylvia Czarnecki Motionclick.de
Facebook: https://www.facebook.com/motionclick/

Bild:
Jürgen