Ignorieren und Ignorieren
Kennst du das?
Du hast mit deinem Partner Stress. Und nun schweigt er dich an. Oder genauer ausgedrückt - er reagiert nicht mehr auf dich.Er schaut an dir vorbei und deine Worte und Gesten gehen ins Leere.
Das ist schlimmer, als sei er gar nicht da, denn dann gäbe es ja auch keine Kommunikationsmöglichkeit.
Aber so?
Da ist jemand, der dir wichtig ist, von dem du hoffst, dass auch du ihm wichtig bist, und er zeigt dir mit allen Mitteln, dass er dich nicht sieht, nicht hört, nicht wahrnimmt. Man ist einsamer, als wäre man ganz alleine.
Aber du kennst vielleicht auch das:
Du bist gerade total vertieft in ein Buch, oder eine kniffelige Handarbeit, manchmal auch einfach in eine Denkarbeit, und irgendwann merkst du, dass dich jemand am Arm zuppelt. Du schaust auf und blickst in 2 vorwurfsvolle/genervte/amüsiert lächelnde Augen und erfährst, dass derjenige dich schon mehrfach angesprochen hatte.
Doch du hast ihn einfach ignoriert.
Einmal wurde also ganz bewusst ignoriert, einmal unbewusst, weil man einfach auf etwas Anderes konzentriert war.
Die Version 1 wird wohl weitaus verletzender beim ignorierten Gegenüber ankommen. Und doch wird gegenüber unseren Hunden immer von "ignorieren" gesprochen. Und da meint man in der Regel dieses bewusste: „Ich sehe und höre dich nicht! Du bist für mich nicht vorhanden!“ (wenn er sich extrem freut, bellt, aufgeregt ist, an einem hochhüpft...) Wie wird das bei unserem Hund ankommen?
Was macht das mit ihm? Mit uns? Aus diesen Gründen empfinde ich das bewusste Ignorieren als erzieherische Maßnahme als durchaus hartes Druckmittel. Um meine Bedürfnisse durchzusetzen, ist das kein Weg für mich.
Es gibt andere. Immer.
Vielleicht fällt mir gerade keiner ein, aber es gibt sie. Aber, wie alles hat ja auch die Ignoranz Medaille ihre Kehrseite...das ist die dauernde Kommunikation und Interaktion.
Auch die ist – wenn einfach pausenlos - „ungesund“.
Es fehlen die Freiräume, die Zeiten für und mit sich selbst alleine, ob auch räumlich alleine oder eben jeder für sich und doch miteinander.
In solch einer Endlosschleife war ich mit meinem Border Collie geraten. Wir hingen quasi gedanklich und meist auch über Augenkontakt aneinander fest.
Hier habe ich die oben genannte Version 2 der Ignoranz benutzt, um uns beiden wieder etwas mehr freien Privatraum zu lassen. Ich nahm auf die Gassis etwas mit, von dem ich wusste, dass es meine Aufmerksamkeit fesseln würde (Buch, Sudoku…) und machte ganz bewusst Pausen, in denen ich mich dann so beschäftigte. Gar nicht leicht, die kurzen Kontrollblicke mal nicht zu nutzen 😉.
Mein Bube konnte mit dieser Form des Ignoriert werdens nach anfänglichen Unsicherheiten gut umgehen und die Pausen dann für sich nutzen.
Das hat uns beiden gut getan.
Wie in allen Dingen, ist es auch hier wohl eine Balance… Aber ich finde, man muss sich der möglichen Auswirkung von geplant eingesetztem „Du bist für mich gar nicht da!“ zumindest bewusst sein und es nicht als nette, weil nichts Böses hinzufügende Maßnahme werten.
Autorin
Petra Heß
Bild
Petra Heß