Von Strafe und Gewalt
Was hat es auf sich mit dem positiven Hundetraining?
„Ich finde nicht, dass das Strafe ist!“ oder „Das ist doch keine Gewalt!“ – das hört man oft, wenn es um die Frage geht, was genau eigentlich „positives Training“ sein soll. An diesem Punkt herrscht durchaus nicht immer Einigkeit. Es lohnt sich also, sich die Begriffe als solche genauer anzuschauen.
Was eine Strafe ist, ist in der sogenannten Lerntheorie (auch Lerngesetz genannt) eindeutig definiert. Mit der Lerntheorie verhält es sich so wie mit dem Gesetz der Schwerkraft: Sie wirkt immer dann, wenn Lebewesen ihr Verhalten verändern – auch dann, wenn der Mensch es gerade gar nicht beabsichtigt, oder die Lerntheorie nicht einmal kennt.
Genau genommen unterscheidet die Lerntheorie vier Möglichkeiten, wie sich Verhalten von Lebewesen verändert:
Genauer kann man das im Text von Christiane Jacobs bei „Sprich Hund!“ nachlesen.
Sobald ich also etwas Unangenehmes hinzufüge oder etwas Angenehmes wegnehme, setze ich – lerntheoretisch gesehen – Strafe ein. Dabei muss man im Kopf behalten, dass die Worte „positiv“, „negativ“ und „Strafe“ keine Wertung beinhalten – man könnte ebenso gut „dazu“ und „weg“ beziehungsweise „seltener“ sagen.
Ganz wichtig zu wissen: Ob etwas angenehm oder unangenehm ist, entscheidet immer immer immer der, dem es passiert – in diesem Falle also der Hund. Wenn mein Tun dazu führt, dass mein Hund sich unwohl fühlt, dann bin ich im Bereich der Strafe, ob ich das nun will oder nicht. Das kann sogar ganz unabsichtlich passieren, wenn ich zum Beispiel meinem Hund wohlmeinend den Kopf tätschele, er das aber nun mal nicht leiden kann.
Positives Training zieht den Einsatz positiver Verstärkung jeder anderen Möglichkeit vor und wird immer nach einem entsprechenden Trainingsweg suchen.
Zu behaupten, es würde ausschließlich mit positiver Verstärkung gearbeitet, wäre allerdings falsch: Schon wenn ich das Spiel mit meinem Welpen unterbreche, weil er zu wild wird, setze ich ja negative Strafe ein. Bringe ich meinem Hund bei, einen Bogen zu laufen, wenn ihm ein anderer Hund nicht geheuer ist, nutze ich negative Verstärkung.
Was positives Training zu vermeiden versucht, ist der Einsatz positiver Strafe.
Wenn es um Strafreize geht, die der Mensch absichtlich einsetzt – wie einen Leinenruck oder einen Rempler – dann kann ich einfach entscheiden, darauf zu verzichten.
Das wird mir jedoch nicht immer gelingen: Wenn ich nicht wissen konnte, dass der Hund etwas unangenehm finden würde, oder einfach versehentlich auf die Schleppleine trete und so einen Ruck verursache, setze ich in diesem Moment (unabsichtlich) positive Strafe ein.
Und auch in Notfällen, wenn es darum geht, Gefahr abzuwenden oder Schaden zu begrenzen, kann es sein, dass ich Dinge tun muss, die dem Hund nicht angenehm sind.
Positives Training ist also eher ein ständiges Bemühen darum, positive Strafe zu vermeiden und Wege zu finden, wie man das Verhalten von Hunden durch Einsatz positiver Verstärkung verändern kann.
Für Gewalt gibt es – im Gegensatz zu Strafe – ganz unterschiedliche Definitionen, je nachdem zum Beispiel, ob man sie aus soziologischer, juristischer oder philosophischer Sicht betrachtet.
Gewalt kann jedoch auch als das definiert werden, was alle jeweils Beteiligten als Gewalt empfinden. Es kann also einen Konsens darüber geben, was eine Gruppe von Menschen als Gewalt betrachtet.
Unter den Menschen, die sich positives Training auf ihre Fahnen geschrieben haben, besteht dieser Konsens darin, dass gewaltfreies Training auf Einschüchterung, Angst, Schreck, Schmerz und (sofern es möglich ist) auf Frustration verzichtet.
Iris Blitz
Hundetrainerin
Lebt heute mit Australian Shepherd Oskar und drei arbeitenden Pyrenäenberghunden auf einem Kastanienhof in Südfrankreich.
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