Warum tut er nicht das, was ich ihm sag? – Teil 1
Wer kennt es nicht? Bello rennt über die Wiese, man ruft einmal kräftig seinen Namen und was macht Bello? Nichts! Jedenfalls nicht das was wir uns grade vorgestellt haben. Und da es menschlich ist, mit Worten um sich zu schmeißen, da wird das „BELLOOOOO“ noch ein paar mal hinter dem Hund hergerufen, mit stetig ansteigendem Tonfall.
Anderes Szenario, gleiches Ergebnis: Ihr bekommt Besuch. Fiffi freut sich wie Bolle und muss das natürlich auch kundtun. Wie auch sonst soll der Besucher wissen, dass er hier willkommen ist?? Fiffi, ganz nach guter Hundemanier, springt also am Besucher hoch um möglichst viel Gesichtsfläche mit seiner Zunge anfeuchten zu können.
Ihr, natürlich empört und peinlich berührt über Fiffis augenscheinlich distanzloses Verhalten, ruft „Fiffi AUS“, „NEIN“, Fiffi in dein Körbchen“... „SOFORT!!“... Und was tut Fiffi? Genau, das was er eh schon tut. Sich freuen wie Bolle und die letzten trockenen Stellen vom Gesicht des Besuchers anfeuchten.
Die geschilderten Szenarien lassen sich auf viele Situationen übertragen und ich bin mir sicher, jeder Hundehalter hat diese so oder so ähnlich schon erlebt. Mich eingeschlossen.
Warum ist Bello also nicht auf Rufen seines Besitzers umgekehrt und warum hat Fiffi nicht vom Besucher abgelassen, obwohl Frauchen es ihm ausdrücklich mitgeteilt hat? Dafür kann es etliche Gründe geben. In dem ersten Teil der Reihe „Warum tut er nicht das, was ich ihm sag?“ beschäftigen wir uns mit dem folgendem Grund:
Das Hörzeichen, sprich das Signal, welches das Verhalten auslösen soll, wurde zu früh oder falsch eingeführt oder das Signal wurde nicht bis zur Signalkontrolle trainiert.
Betrachten wir das mal im Detail: Für unsere Hunde ist die deutsche Sprache nicht ihre Muttersprache. Als ob das die Kommunikation nicht schon schwer genug macht, kommt hinzu, dass Hunde im Gegensatz zum Menschen non-verbal kommunizieren.
Stellt euch vor, ihr macht Urlaub in China. Dort angekommen, fragt ihr einen Einheimischen nach dem Weg zu eurem Hotel. Jedoch sprecht ihr nicht eine gemeinsame Sprache. Weder kannst du ihm mit deiner verbalen Sprache deutlich machen, wohin du möchtest, noch gefällt dem älteren Chinesen, dass du ihm trotz aller Missverständnisse zum Dank noch um den Hals fällst und umarmst.
Gleiches trifft auf die Kommunikation mit deinem Hund zu: Ohne seine Sprache vorher gelernt zu haben, wirst du ihn weder richtig verstehen, noch ihm das, was du von ihm möchtest, richtig mitteilen können.
Das Thema „Körpersprache und Kommunikation“ würde diesen Beitrag sprengen und hat definitiv einen eigenen Beitrag verdient. Worauf ich aber hinaus möchte ist, dass ihr versteht, dass euer Hund ein ausgesprochenes „Nein“ oder etwa seinen ausgesprochenen Namen nicht verstehen und richtig deuten kann, wenn er vorher nicht gelernt hat, was dieser Ton (d.h. das verbale Hörzeichen) bedeutet. Ähnlich dem Beispiel mit dem Chinesen.
Wichtig beim Erlernen eines Signals ist die Signal-Einführung, d.h. ab wann darf ich das Verhalten mit dem verbalen Hörzeichen belegen, welches das Verhalten in Zukunft auslösen soll.
Es gibt – je nach zu erlernendem Verhalten und ausgewählten Trainingsweg – unterschiedliche Antworten. Schauen wir uns nun einige der Möglichkeiten hier mal an:
1. Ich habe ein Verhalten über „locken“ aufgebaut. Beispiel: Der Hund wurde mit Hilfe eines Futterstückes in die „Sitz“-Position gelockt. Nachdem das Verhalten mit der Lockbewegung zuverlässig ausgelöst wird, möchte ich nun diese Lockbewegung in ein Hörzeichen umwandeln, nehmen wir das Wort „Sitz“. Hierfür setzten wir einfach das neue Signal (Hörzeichen) VOR das alte Signal (Lockbewegung). Das sieht dann so aus: Hörzeichen „Sitz“ –> Lockbewegung –> Hund setzt sich –> Belohnung
Wichtig ist, die Reihenfolge zu beachten und zwischen dem neuen und dem alten Signal ca. 0,5 Sekunden Abstand zu lassen. Nach einigen Wiederholungen einfach das alte Signal (die Lockbewegung) weglassen und warten was passiert. Wenn die Konditionierung des neuen Signales erfolgreich war, dann wird nun das Verhalten ausgelöst, obwohl die Lockbewegung weggelassen wurde. Das sieht dann nun so aus:
Hörzeichen „Sitz“ –> Hund setzt sich –> Belohnung
2. Ich habe ein Verhalten über „formen“ aufgebaut. Beispiel: Der Hund soll einen Gegenstand mit seiner Nase berühren. Das Verhalten zeigt der Hund nicht von sich aus und so belohnen wir einzelne Zwischenschritte, die dann zum Endverhalten führen (z.B. Anschauen des Gegenstandes, Hinbewegen zum Gegenstand, Schnuppern am Gegenstand, Berühren des Gegenstandes...).
Erst wenn das Endverhalten zuverlässig gezeigt wird, erst dann wird das Hörzeichen eingeführt.
Nehmen wir für dieses Beispiel das Hörzeichen „Target“. Wenn wir beobachten, dass der Hund das Verhalten nun wieder ausführen wird, dann sagen wir das Hörzeichen „Target“, daraufhin folgt das Verhalten und dann die Belohnung. Schafft man es nicht, das Hörzeichen kurz vorm Verhalten zu sagen, dann kann man am Anfang das Hörzeichen auch gleichzeitig mit dem Verhalten setzen. Die Verknüpfung des Wortes mit dem Verhalten kann dann etwas länger dauern als wenn wir es kurz vorher benennen. Nachdem wir einige Wiederholungen geschaffen haben (Hörzeichen wird genannt, bevor der Hund das Verhalten zeigt), sagen wir das Hörzeichen ohne das der Hund eine Intention zeigte das Verhalten auszuführen. Führt er das Verhalten nun doch aus, dann wurde das Signal mit dem Verhalten verknüpft. Wenn nicht, dann bedarf es weiterer Wiederholungen und eventuell einem Troubleshooting.
3. Ich habe ein Verhalten, was nicht erst erzeugt werden muss. Beispiel: Bleib. Bei einem kleinschrittigen und fehlerfreien Aufbau des Signals „Bleib“ muss das Verhalten nicht erst erzeugt werden, es ist bereits „vorhanden“. In solchen Fällen können wir das Hörzeichen direkt einführen, aber nur, wenn wir uns sicher sind, dass wir einen sauberen Trainingsaufbau schaffen können. Sehen wir uns das im Detail an: Wenn ich „Bleib“ trainiere, dann setze ich den Hund zum Beispiel ins „Sitz“, dann sage ich das neue Hörzeichen „Bleib“, füge direkt mein Handzeichen hinzu und belohne sofort. Das heißt, ich fange bei max. einer Sekunde „Bleib“ an, so dass der Hund gar nicht das „Bleib brechen“ kann und das Hörzeichen von Anfang an mit dem richtigen Verhalten (nämlich dableiben wo er grade ist) verbinden kann. Nach und nach wird die Dauer erhöht, dann wird Distanz eingebaut und später noch Ablenkung. Durch diesen kleinschrittigen Aufbau, kann man den Hund fast fehlerfrei durch das Training führen und das Hörzeichen wird direkt von Anfang an mit dem Verhalten verknüpft.
Neben dem richtigen Zeitpunkt zur Signal-Einführung ist auch die Reihenfolge entscheidend. Das bedeutet:
Ein neues Signal wird immer VOR dem alten Signal gegeben, wenn das neue Signal die Signalkontrolle für das Verhalten übernehmen soll.
Wenn ein Hörzeichen gleichzeitig mit einem Handzeichen erfolgt, so ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass der Hund NUR das Handzeichen wahrnimmt. In dem Fall spricht man dann von der sogenannten Überschattung (–>Körpersprache überschattet verbale Sprache).
Des Weiteren ist entscheidend für den Erfolg eines Signals, ob dieses bereits einmal mit einem anderen Verhalten belegt war und ob das ausgewählte Signal bereits einmal eine andere Bedeutung hatte. Das bedeutet:
Wurde das ausgewählte Signal bereits einmal mit einem anderen Verhalten verknüpft, so fällt es dem Hund schwerer, nun ein neues Verhalten an das Signal zu knüpfen. Man spricht in dem Fall von „Blocken“ (–> Das Signal ist geblockt)
Wenn der Hund das ausgewählte Signal immer und immer wieder hörte, ohne das eine Konsequenz folgte, so hat der Hund gelernt, dass das Wort (unser Signal) keine Bedeutung hat. Man spricht in dem Fall von „erlernter Irrelevanz“. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass es sich also auch nicht lohnt, ein Signal 5 mal hintereinander zu wiederholen. Lieber sollte man sich überlegen, warum er nicht reagiert hat und was ich ändern kann, damit er reagiert. Da kommt diese Artikelreihe natürlich wie gerufen ?
Kommen wir nun zur sogenannten Signalkontrolle, welche eigentlich nur aussagt, dass das Verhalten zuverlässig auf Signal ausgeführt wird, egal in welchem Kontext der Hund sich befindet und das das Verhalten nur auf das Signal hin gezeigt wird.
Damit wir im Training Signalkontrolle erlangen, muss das Signal nicht nur sauber und richtig eingeführt werden, sondern auch diskriminiert und generalisiert werden.
Einfach ausgedrückt bedeutet Diskriminierung , dass der Hund das Signal von anderen Signalen unterscheiden kann und Generalisierung bedeutet, dass das Signal in verschiedenen Kontexten gezeigt werden kann. Dazu zählen verschiedene Orte, verschiedene Signalgeber, verschiedene Ablenkungen, unterschiedliche Tonarten in der Signalgebung, usw.
Ein guter Trainingsplan kann hierbei sehr hilfreich sein und grade bei „Trainings-Neulingen“ sollte dieser am Anfang ein stetiger Begleiter sein.
Fassen wir also zusammen:
Einer der entscheidenden Gründe, weswegen dein Hund vielleicht nicht tut was du ihm sagst, kann das gegebene Signal sein. Das Signal kann zu einem falschen Zeitpunkt oder in der falschen Reihenfolge eingeführt worden sein. Ein Hörzeichen kann von deiner Körpersprache überschattet werden und es kann an Relevanz verlieren, wenn es ständig wiederholt wird ohne das eine Konsequenz folgt. Unsauberes Training kann dazu geführt haben, dass das Signal nicht in jedem Kontext vom Hund ausgeführt werden kann oder das er das Signal nicht eindeutig von anderen Signalen unterscheiden kann oder gar das Signal nie mit dem Verhalten verknüpft wurde oder sogar mit einem ganz anderem (nicht gewünschten) Verhalten.
In Teil II der Reihe „Wieso tut er nicht, was ich ihm sag?“ beschäftigen wir uns mit einem ganz anderen Grund, nämlich mit dem der Konsequenz, sprich ob ich ein Verhalten verstärkt oder bestraft habe. Seit gespannt!
Sarah Tappe
mobile Hundetrainerin
Diploma of Canine Behavior Science and Technology (CASI von James O’Heare)
derzeit weitere Ausbildung zurVerhaltensberaterin
(Advanced Diploma of Canine Behavior Management am international anerkannten Compass Education Institut)