Der Hundeflüsterer: FAQ
Von Lisa Mullinax, 4 Paws University
Dieser Artikel unterliegt dem Copyright der Autorin Lisa Mullinax, 4Paws University Training & Behavior Center, Sacramento CA, Email: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, und ist veröffentlicht auf ihrer Website: www.4pawsu.com. Der Originaltext und die deutsche Übersetzung dürfen gerne verlinkt, aber NICHT auf anderen Webseiten veröffentlicht werden.
Übersetzung: Katharina Volk [Anmerkung der Übersetzerin: Aus Gründen der Lesbarkeit verwende ich hier die maskuline Form „Hundehalter“ „Trainer“, „Professor“ etc. Selbstverständlich sind damit genauso Halterinnen, Trainerinnen, Professorinnen und so weiter gemeint.]
Seit ich The Dog Whisperer Controversy veröffentlicht habe (http://www.4pawsu.com/dogpsychology.htm), erhalte ich E-Mails von Cesar Millan-Fans, die meinem Artikel vehement widersprechen. Auf die am häufigsten genannten Argumente möchte ich hier eingehen, um die Mythen aufzuklären, die viele Zuschauer der Sendung im Kopf haben.
Fans von Cesar Millan können sich gern an mich wenden (Lisa Mullinax, www.4pawsu.com), aber ich empfehle ihnen, vorher die Informationen zu lesen, die in beiden Artikeln verlinkt sind. Persönliche Erfahrungen und Überzeugungen erscheinen uns oft als starke Argumente, sind aber natürlich kein „Gegenbeweis“, der die Ergebnisse von Jahrzehnten wissenschaftlicher Forschung widerlegen könnte.
Ich habe noch nie gesehen, dass er einem Hund weh getan hätte.
Prügelt der Fernsehstar auf Hunde ein? Nein, aber seine Methoden sind manchmal unnötig grob, und es ist erwiesen, dass körperliche Strafen, wie sie in der Sendung gezeigt werden, schädlich sein können.
In der Folge Fondue, Chip, Hope & Joyjoy werden kleine Hunde im Nacken gepackt, hochgehoben und durch die Luft geschwungen. In Teddy hängt Cesar Millan einen Labrador so an der Leine auf, dass dessen Pfoten den Boden nicht mehr berühren. Besonders erschreckend ist der Fall Shadow – das Filmmaterial wurde von Veterinärmedizinern begutachtet, deren Expertise zufolge Shadow Erstickungssymptome zeigt, nachdem er an der Leine aufgehängt wurde. (Uns liegen Berichte vor, nach denen die Tierschutzorganisation, die Shadow an die damaligen Besitzer vermittelt hatte, den Hund zurückgeholt hat, nachdem diese Folge ausgestrahlt wurde).

Vor allem ist jedoch der psychische Stress zu kritisieren, dem die Hunde in dieser Sendung ausgesetzt werden. Viele Hunde, die zu Beginn einer Sendung Meideverhalten anbieten, werden dazu getrieben, schließlich Aggression zu zeigen. Ein solches Beispiel ist JonBee, ein Jindo, der dazu gezwungen wird, sich auf die Seite zu legen. Nach einem heftigen und gefährlichen Kampf (in dessen Verlauf der Hund offenbar urinierte), gibt er schließlich auf und lässt sich herumdrehen. Der Hund ist allerdings nicht entspannt, ganz im Gegenteil. Er zeigt zahlreiche Anzeichen von Stress. Sein Verhalten ist Ausdruck eines bekannten psychologischen Phänomens: erlernte Hilflosigkeit, die HundetrainerInnen oft als „dicht machen“ bezeichnen. (Update: JonBees Besitzer haben ihn nach der Sendung nicht behalten. Er war kürzlich auf der Webseite eines Millan-Anhängers als „zu vermitteln“ eingestellt, der Eintrag wurde jedoch inzwischen entfernt.)
JonBee trägt einen Maulkorb und wird an einer Würgeschlinge vom Boden hochgehoben, eine Prozedur, die als „stringing up“ [„aufknüpfen“, an einer Schlinge aufhängen] bekannt ist. Zuvor hatte der Hund versucht, jeglicher Interaktion mit dem Fernsehstar aus dem Weg zu gehen.
Erlernte Hilflosigkeit wurde erstmals von Wissenschaftlern beschrieben, die Hunde in eine Box ohne Fluchtmöglichkeit steckten und ihnen über den Boden Elektroschocks versetzten. Anfangs versuchten die Hunde noch zu entkommen, doch als sie schließlich erschöpft waren, legten sie sich einfach auf den Boden, obwohl sie weiterhin Stromschläge erhielten. Die Hunde fanden die Elektroschocks nicht angenehmer als zu Anfang, sie hatten schlicht und einfach aufgegeben.
Um einen Hund zu traumatisieren, braucht man ihn nicht körperlich zu verletzen. Einige Hunde schaffen es, sich von traumatischen Erlebnissen zu erholen, während sie bei anderen dauerhafte Verhaltensprobleme hinterlassen.
Genau wie bei Menschen verursacht chronischer Stress auch bei Hunden ernsthafte gesundheitliche Probleme, etwa ein geschwächtes Immunsystem, schwere Verdauungsstörungen oder Herzerkrankungen. Akuter Stress kann den Hund für bestimmte Menschen oder Umweltfaktoren sensibilisieren und dadurch eine schon vorhandene negative Assoziation noch verstärken, so dass Verhaltensprobleme langfristig eskalieren. Ob körperlich oder psychologisch, diese Methoden sind schädlich und bergen für Hunde und ihre Halter große Risiken.
Ruby zeigt während dieser Folge vielfältige Anzeichen von Stress, unter anderem verweigert sie Futter.
[Das Video gibt es nicht mehr, wurde aus dem Netz entfernt bzw. gesperrt]
(Update: Uns liegt ein Bericht vor, demzufolge Ruby nach der Sendung ein Kind im Haus biss, woraufhin die Besitzer sie einschläfern lassen wollten. Der Tierarzt versuchte, das zu verhindern und die Verantwortlichen der Sendung dazu zu bringen, weiterhin mit der Familie zu arbeiten. Seither ist uns über Rubys Schicksal nichts mehr bekannt geworden.)
Haben Sie die Sendung überhaupt gesehen?
Ja. Ich schaue mir Der Hundeflüsterer regelmäßig an und lade mir die Video-Podcasts herunter (die kürzlich aus iTunes entfernt wurden).
Ich sehe mir jede Folge zuerst ohne Ton an, um sowohl das Verhalten des Hundes als auch das Vorgehen des Fernsehstars zu beobachten, und wie der Hund auf die angewandten Methoden reagiert. Ich habe festgestellt, dass die dramatische Musik, der Sprecher und die Erklärungen des Stars oft dem widersprechen, was tatsächlich auf dem Bildschirm geschieht.
Die meisten Fachleute und Hundetrainer, die sich öffentlich zu der Sendung geäußert haben, schauen sie ebenfalls regelmäßig. National Geographic schickte Videoaufnahmen an Andrew Luscher, Verhaltensexperte der tiermedizinischen Fakultät der Purdue University, ehe die Show auf Sendung ging. Er äußerte den Produzenten gegenüber starke Bedenken. [Link:
http://www.urbandawgs.com/luescher_millan.html]
Ihr Artikel war einseitig.
Um das ganz deutlich zu sagen: Ich betrachte dieses Thema keineswegs neutral. Eine Ernährungswissenschaftlerin würde keinen neutralen Artikel über die Vor- und Nachteile von Junkfood verfassen. Ich bin nicht gezwungen oder verpflichtet, eine unvoreingenommene Betrachtung der Sendung zu präsentieren. Präsentiert habe ich Argumente, die auf Fakten beruhen.
Die Darstellung von Hundeverhalten in der Sendung ist falsch und missachtet alles, was wir heute darüber wissen. Meine Voreingenommenheit beruht außerdem auf vielen Jahren persönlicher Erfahrung sowie den Erfahrungen meiner KollegInnen, die ebenfalls selbst erleben, welche Folgen Methoden haben, mit denen problematisches Verhalten unterdrückt wird.
Sie sollten ihn nicht kritisieren, nur weil Sie mit seinen Methoden nicht einverstanden sind.
Warum nicht? Ist Kritik nicht genau das, was den Fortschritt auf jedem beliebigen Gebiet voranbringt?
Wenn Methoden schädliche Folgen haben können und die behaupteten Ergebnisse nicht erzielen, sind Fachleute geradezu verpflichtet, sie zu kritisieren. Ansonsten würden wir heute noch glauben, die Erde sei eine Scheibe, Rauchen helfe gegen Bluthochdruck, und Menschen mit Autismus müsste man mit Elektroschocks und Lobotomie kurieren.
Sie sind nur neidisch auf seinen Erfolg.
Viele der Fachleute, die sich gegen die Sendung zu Wort gemeldet haben, sind selbst außerordentlich erfolgreich. Sie genießen hohes Ansehen unter ihren Kollegen, sind Universitätsprofessoren oder bekannte Autoren und Referenten.
Außerdem hat die Beliebtheit der Sendung keineswegs dazu geführt, dass fachkundige Trainer und Verhaltensberater weniger Kunden hätten. Das Gegenteil ist der Fall. Wir erleben einen gewaltigen Anstieg des Kundeninteresses, weil Hundehalter immerhin erkennen, dass sie mit problematischem Verhalten ihres Hundes nicht einfach leben müssen. Das ist die einzige positive Auswirkung dieser Sendung. Allerdings berichten über die Hälfte der Hundehalter, die wir beraten, dass sie die Sendung regelmäßig sehen und die gezeigten Methoden ausprobiert haben, ohne Erfolg oder gar mit negativen Folgen.
Wenn die Sendung mit tiergerechten Methoden auf Grundlage aktueller und stetig wachsender wissenschaftlicher Erkenntnisse so erfolgreich wäre, und nicht auf der Interpretation von Hundeverhalten nach Ansicht einer einzigen Person beruhen würde, würden die meisten Fachleute ein Loblied auf die Sendung und ihren Star singen, wie auf It’s Me Or The Dog. In dieser Sendung von Animal Planet werden ebenso problematische Hunde und positive, auf Belohnung beruhende Lösungen gezeigt.
Hinter den Protesten steckt keineswegs Neid, sondern Sorge um die Sicherheit und das Wohlbefinden von Hunden und ihren Besitzern.
Die Hunde in der Sendung sind anders als die, mit denen Sie arbeiten – da geht es um ernsthafte Probleme.
Das ist ein verbreiteter Irrtum. Die Fälle, die in der Sendung gezeigt werden, sind ganz gewöhnliche, übliche Fälle von Angst und Aggression, mit denen ich und Tausende andere professionelle Hundetrainer tagtäglich arbeiten.
Hier haben wir ein hervorragendes Beispiel aus einer neueren Folge:
Und hier das gleiche Verhalten und die Verhaltensänderung, die ich in einer typischen Trainingsstunde erarbeite. Ich gebe zu, dass das Video nicht sonderlich dramatisch ist. Das liegt daran, dass ich das Ziel habe, meiner Kundin und ihrem Hund zu helfen, und keine spektakulären Szenen zu drehen, um die Einschaltquoten zu erhöhen.
Anmerkung: Bitte lest dazu auch den Text der Autorin unter dem Video. Es sieht nur so aus, als sei der Fall wesentlich weniger „schwerwiegend“ als Holly, weil der Hund in diesem Video nicht attackiert und bis zum Äußersten provoziert wird.]
Ernsthaft problematisches Verhalten zu verändern, ist nicht spektakulär und deshalb keine tolle Fernsehunterhaltung. Das liegt daran, dass es nicht nötig ist – und auch nicht produktiv –, eine aggressive Reaktion zu provozieren, um das Verhalten zu verändern.
Sie glauben, es gäbe nur einen Weg in der Hundeerziehung.
Ganz und gar nicht. Nach den Gesetzen der operanten Konditionierung [Link:
http://4pawsu.com/trainingmethods.htm] können positive Bestrafung und negative Verstärkung auch funktionieren, wenn man sie mit Präzision und Fachkönnen anwendet.
Viele positive Trainer haben, genau wie ich auch, als aversiv arbeitende Trainer angefangen. Wir haben auf belohnungsbasierte Methoden umgestellt, nachdem wir gesehen hatten, welche Vorteile sie für Gehorsamstraining, Hundesport und die Veränderung ernster Verhaltensprobleme bringen. Positiv arbeitenden Trainern ist also nicht nur bewusst, dass es mehr als einen Weg gibt, sie haben selbst umfassende Erfahrung mit verschiedenen Methoden gesammelt, darunter auch einigen, die in der Sendung angewendet werden. Ebenso haben wir umfassende Erfahrung mit den Folgen, die solche Methoden nach sich ziehen können.
Hundehalter müssten sich fragen, weshalb sie sich von Anfang für eine Methode entscheiden sollten, die Schaden anrichten könnte, statt es erst einmal mit weniger aversiven Methoden zu versuchen.
Positiv arbeitende Trainer würden einen aggressiven Hund eher einschläfern lassen, als ihn für sein Verhalten zu bestrafen.
Wenn man sich einmal die zahlreichen Bücher von positiven Trainern und Verhaltensforschern über die Veränderung von Problemverhalten wie Aggression ansieht, ganz zu schweigen von den vielen Seminaren und Kongressen zu diesem Thema, die Tausende Kollegen Jahr für Jahr besuchen, wird offensichtlich, dass belohnungsbasierte Trainer, mich selbst eingeschlossen, nicht einfach die Einschläferung der Arbeit am Problemverhalten vorziehen.
Wenn sich erwiesen hätte, dass aversive Methoden zu einer dauerhaften Verhaltensänderung führen, dann wären wir dabei geblieben. Wir würden sie nach wie vor anwenden, denn die meisten positiv arbeitenden Trainer haben vor 10, 20 oder sogar 40 Jahren mit aversiven / zwangsbasierten Methoden angefangen.
Kennen wir schon. Da waren wir auch, sind aber nicht dort stehen geblieben, sondern haben einen besseren, effektiveren Weg eingeschlagen. Wir warten nur noch darauf, dass die anderen zu uns aufholen.
Die Leute sollten Hunde nicht so vermenschlichen.
Tja, das stimmt … außer, die Alternative besteht darin, Hunde wie vermeintliche Wölfe zu behandeln. Unklare Begriffe wie „Rudelführer“ beziehen sich angeblich darauf, wie Caniden sich in einem Rudel verhalten. Nur leider haben die Erklärungen und Empfehlungen in der Sendung sehr wenig damit zu tun, wie echte Wölfe sich in einem echten Rudel verhalten. Verhaltensprobleme eines Hundes mit falschen Theorien über das Verhalten in Wolfsrudeln „behandeln“ zu wollen, ist keinen Deut besser, als einen Hund zu vermenschlichen, und könnte dieselben bedenklichen Auswirkungen haben.
Ein schwerer Fehler bei den strafenden Methoden in der Sendung ist, dass sie davon ausgehen, der Hund würde dadurch lernen, was er „falsch“ macht. Damit schreibt man Hunden zu, sie könnten wie Menschen zwischen richtig und falsch unterscheiden. Bis Hunde die Fähigkeit entwickeln, zu sprechen und uns mitzuteilen, was sie gerade denken, ist die Annahme, Hunde könnten einem Gewissen folgen, anthropomorphisch, also vermenschlichend – menschliche Erklärungsmuster werden auf Hundeverhalten angewandt.
Behandeln Sie Ihren Hund nicht wie einen Menschen, aber auch nicht wie ein Wolfsimitat. Halten Sie sich an die Tatsachen, an Faktenwissen, das belegt, dass die Theorien aus der Vergangenheit auf das tatsächliche Verhalten von Hunden und Wölfen nicht zutreffen.
Aber er trainiert keine Hunde, er rehabilitiert sie.
Gehorsamstraining und die Veränderung problematischen Verhaltens sind zwar nicht ein und dasselbe, aber sie lassen sich auch nicht ganz voneinander trennen. Erfolgreiches Hundetraining erfodert Wissen darüber, wie Hunde lernen und was sie dazu motiviert, ein bestimmtes Verhalten zu wiederholen. Dieses Wissen ist ebenso entscheidend dafür, Verhalten verändern zu können.
Im Training sind Hunde ohne jede Grunderziehung schwieriger zu kontrollieren und weniger ansprechbar für ihre Halter. Das kann die Verhaltensänderung (oder Rehabilitation) erheblich erschweren.
Was mir in der Sendung häufig auffällt, ist, dass die Hunde zum Schluss vielleicht nicht mehr auf das reagieren, was ihr problematisches Verhalten ausgelöst hat (andere Hunde, Menschen, Skateboards etc.), aber sie reagieren auch nicht mehr auf ihre Halter. Stattdessen weisen die straffe Leine und die häufigen Leinenrucke darauf hin, dass der Hund keineswegs so „ruhig und unterwürfig“ wäre, wenn der Halter die Leine loslassen würde.
Es ist schwer vorstellbar, wie jemand einen Hund rehabilitieren könnte, ohne zumindest ein Grundwissen darüber zu besitzen, wie Hunde lernen. Oder warum jemand diesen wichtigen Lernschritt auslassen sollte, der zu mehr Kooperation führt und den Hundehalter in eine „Führungsposition“ bringt.
Man sieht doch in der Sendung, dass es funktioniert.
Die Produktionsfirma gibt eine Erfolgsquote von 80% an, aber ich habe in der Sendung nur wenig tatsächlich geändertes Verhalten gesehen. Was ich sehe, sind Hunde mit unterdrücktem Verhalten, Hunde, die an sehr kurzen, straffen Leinen gehen, die steif und fast reglos sind, nachdem sie mit Gewalt auf die Seite oder den Rücken geworfen wurden, Hunde, die in beinahe jedem Fall stark eingeschränkt werden oder abgeschaltet, „dicht gemacht“ haben.
Dass der Hund nicht bellt, an der Leine zerrt oder knurrt, bedeutet noch lange nicht, dass er ruhig oder rehabilitiert wäre. Wenn der Hund ein Verhalten nicht zeigen kann, weil ihn eine kurze Leine oder etwas anderes daran hindert, dann wurde das Verhalten nicht verändert, sondern unterdrückt.
Trotz der strengen Verschwiegenheitserklärung, die Hundehalter unterschreiben, ehe sie in der Sendung auftreten, kommen allmählich die Geschichten ans Licht – durch Tierärzte und andere Trainer, durch Tierschutzorganisationen, bei denen die „rehabilitierten“ Hunde dann landen, und durch die Menschen, die sie von dort übernehmen. Trotz zahlreicher Bitten an die Produzenten, Hundehalter von dieser Geheimhaltung zu entbinden, damit sie über ihre Erfolge mit den gezeigten Methoden berichten können, ist das immer noch nicht geschehen.
Es gibt keine Beweise außer den Behauptungen des PR-Teams und den Aufnahmen, die die Produzenten selektieren. Die Sendung ist ein Produkt, ein Millionengeschäft, das nur läuft, wenn Sie es kaufen.
Bei meinem Hund / meinen Hunden hat es funktioniert.
Wenn die Methoden aus dieser Sendung Ihnen und Ihrem Hund geholfen und keine zusätzlichen Verhaltensprobleme geschaffen haben, kann ich verstehen, dass es Ihnen schwer fällt, zu erkennen, weshalb sie schädlich sind. Immerhin wurden auch schon diverse Medikamente und medizinische Behandlungsmethoden ad acta gelegt, nachdem man ihre schädliche Wirkung erkannt hatte, obwohl viele Leute überzeugt davon waren und behaupteten, sie hätten gut geholfen.
Im Vergleich zu der begrenzten Anzahl von Hunden, die der Durchschnittshalter im Lauf seines Lebens besitzen wird, sehen die professionellen Hundetrainer und Verhaltensexperten, die sich gegen diese Methoden aussprechen, Tausende von Hunden. Und erleben die erheblichen Verhaltensprobleme, die eine direkte Folge strafender Methoden sind.
Er hat keine Ausbildung, na und? Er arbeitet tagtäglich mit Hunden und studiert sie nicht nur in einem Labor.
Es gibt viele Hundetrainer und Verhaltensberater, die keine offizielle Ausbildung oder akademischen Grade haben. Diese Trainer legen jedoch viel Wert darauf, sich weiterzubilden und in Sachen Hundetraining und –verhalten auf dem neuesten Wissensstand zu sein.
Es mag stimmen, dass die Wissenschaftler, die Verhalten unter Laborbedingungen studieren, nicht immer mit problematischen Hunden arbeiten. Aber die Erkenntnisse über Hundeverhalten, Aggression eingeschlossen, die sie gewinnen und veröffentlichen, sind unschätzbar wertvoll für diejenigen unter uns, die tagtäglich mit „Problemhunden“ arbeiten.
Über ein Jahrhundert wissenschaftlicher Forschung über das Verhalten und die Lernbiologie von Tieren zu ignorieren, verschlimmert nur die Unwissenheit von Hundehaltern – die Hauptursache von problematischem Verhalten bei Hunden.
Meinen Sie, die Leute sollten ihre Hunde wie Kinder behandeln?
Hunde und Kinder sind nicht dasselbe. Verantwortungsvolle Eltern sorgen allerdings für die richtige Ernährung und Bildung ihrer Kinder und stellen verlässliche Regeln und Grenzen auf, ohne zu körperlicher Gewalt zu greifen. Alle diese Prinzipien treffen auch auf die Aufzucht und Haltung eines gesunden, gut erzogenen Hundes zu. Wenn also mehr Menschen ihre Hunde so erziehen würden, wie sie ihre Kinder eziehen sollten, müssten wir weniger Probleme sehen, nicht mehr.
1992 veröffentliche The Journal of Applied Animal Welfare Science eine Studie mit über 700 Hundehaltern, in der untersucht wurde, ob anthropomorphische Auffassung und Umgangsweise mit Problemverhalten in Zusammenhang stehen.
„… Hunde, deren Halter auf anthropomorphische Weise mit ihren Tieren interagierten, sie in gewisser Hinsicht „verwöhnten“ oder keine Hundeschule besuchten, zeigten nicht häufiger Verhalten, das von ihren Haltern als problematisch empfunden wurde, als jene Hunde, die von ihren Haltern nicht anthropomorphisch betrachtet oder „verhätschelt“ wurden oder eine Hundeschule besuchten.“
[Voith, V.L., Wright, l.C. and Danneman, P.l., 1992. Is there a relationship between canine behavior problems and spoiling activities, anthropomorphism, and obedience training? Appl. Anim. Behav.Sci., 34: 263-272, Hervorhebung d.Ü.]
Hunde entwickeln Problemverhalten nicht einfach deshalb, weil Leute sie als Kindersatz betrachten und behandeln. Viele andere Faktoren wie Genetik, frühe Sozialisierung (oder der Mangel daran) und Traumata spielen ebenfalls eine Rolle.
Positive Erziehungmethoden funktionieren nicht bei „Red Zone“-Hunden.
Die Ursache für diesen verbreiteten Mythos über Hunde „im roten Bereich“ ist Unwissenheit über Stress bei Hunden. Wenn ein Hund in eine Situation gerät, die das sympathische Nervensystem aktiviert (Kampf oder Flucht), wird beispielsweise das Verdauungssystem vorübergehend „abgeschaltet“, damit alle überlebenswichtige Energie den Muskeln zur Verfügung steht. Dazu sagt man, das Tier sei über der Reizschwelle [Anm. d. Ü.: Wir würden auch von einem „zu hohen Erregungsniveau“ sprechen]. Wenn man also einem Hund ein Leckerchen geben will, während er über der Reizschwelle ist, wird er es nicht fressen. Das bedeutet, dass der Halter oder Trainer den Hund zu schnell in eine Situation gebracht hat, in der der Hund bereits reagiert und nicht mehr lernen kann.
Erfahrene Hundetrainer wissen, wie wichtig es ist, einen Hund unterhalb seiner Reizschwelle zu halten, wenn man ihn mit dem Menschen, dem anderen Hund, dem Gegenstand konfrontiert, der das problematische Verhalten auslöst. Auf diese Weise kann man positive Trainingsmethoden anwenden, um die Assoziationen des Hundes in dieser Situation zu verändern.
Will man mit belohnungsbasierten Methoden effektiv Verhalten ändern, so muss man zumindest ein Grundwissen darüber haben, wie Hunde lernen. Wenn man über dieses Wissen nicht verfügt, wird der Erfolg ausbleiben. Wendet man positive Methoden so an und erreicht damit nichts, tritt also keine Verhaltensänderung ein, weder eine Verbesserung noch eine Verschlechterung. Wenn man hingegen mit aversiven Methoden keinen Erfolg erzielt, kann das problematische Verhalten leicht eskalieren.
Schlussfolgerung
Aggression und andere Verhaltensprobleme sind nichts Mysteriöses. Wir wissen heutezutage, was aggressives Verhalten auslöst und wie es verändert werden kann, und brauchen uns nicht mehr auf die zweifelhaften Interpretationen einzelner Leute zu verlassen. Dieses Wissen wächst stetig weiter, wissenschaftliche Entdeckungen und Forschungsarbeiten bringen immer mehr Erkenntnisse über Verhalten, sei es das von Hunden, Wölfen oder Menschen.
In der Arbeit mit Hunden ist die Alternative zu „aversiv“ nicht, alles zu erlauben, keine Grenzen zu setzen. Moderne Hundetrainer und Verhaltensforscher haben schon viele Jahre lang auf die Bedeutung von ausreichender Bewegung/Beschäftigung und verlässlichen Grenzen hingewiesen, ehe sie durch diese Reality-TV-Sendung populär gemacht wurden. Diese Grundsätze in der Erziehung eines Hundes entsprechen einfach dem gesunden Menschenverstand und sind nicht die Basis für meine Kritik. Der Grund, weshalb so viele Fachleute sich gegen die Sendung aussprechen, sind die gefährlichen Methoden und die falschen Informationen über Hundeverhalten.