Kaschieren wir nur „Problemverhalten“?
Bei so manchem Beitrag in Foren und in den Kommentaren speziell zu meinem Artikel über Cesar Millan http://umtali.wordpress.com/2009/10/28/italian-wehrt-sich-gegen-den-hundeflusterer-cesar-millan/, bin ich dazu geneigt, ab und an die Hände über dem Kopf zusammen zu schlagen. Das ist noch nicht mal böse gemeint. Mir fällt es in manchen Momenten einfach schwer, die Gedankengänge der Personen nachzuvollziehen. Im Nachhinein bin ich dann doch oftmals dankbar, weil sie mich haben nachdenken lassen.
Kaschieren wir "Problemverhalten" mit unserem Training? Diese Frage ist entstand in Anlehnung an einem Beitrag im Dogforum zum Thema "Zeigen und Benennen", in welchem diese Worte benutzt wurden. Ich selber mag das Wort Problemverhalten nicht so sehr. Es gibt sie jedoch, die problematischen Situationen, welchen man im Alltag mit seinen Hunden begegnen kann.
„Zeigen und Benennen“ ist ein wichtiger Bestandteil unserer "Werkzeugkiste" für das Training, welches ich von Dr. Ute Blaschke-Berthold lernen durfte. Das Beschreiben dieses tollen Werkzeugs lasse ich an dieser Stelle aus, da es liebe Menschen bereits getan haben:
Mirjam Aulbach - Click for Blick
Eva Zaugg - Zeigen und Benennen - Kommunikation mit dem Hund
Martina Schoppe - Zeigen und Benennen - wie Vokabellernen die Kommunikation verbessert
Ich kann schwer in Köpfe von Menschen hineinschauen. Daher möchte ich nicht versuchen, in bestimmte Aussagen allzu viel hinein zu interpretieren. Was Zara und Tali angeht kann ich jedoch mit Bestimmtheit sagen, dass gerade das Zeigen und Benennen die Hunde dazu veranlasst, sich mit Auslösern auseinander zu setzen und an und mit ihnen zu lernen.
Manche Missverständnisse rühren vielleicht daher, dass mittlerweile einige Hundemenschen dieses Werkzeug in ihr Training mit aufgenommen haben und noch am Anfang stehen. Trainiert man ohne Anleitung eines Trainers, welcher diese Trainingstechnik gelernt hat, können sich hier und da kleine Fehler einschleichen. Diese minimieren das Trainingsergebnis oder lassen den Hund noch erregter werden, sobald man eine Vokabel wie z.B. "Hund" nennt.
Bitte denkt daran, dass ihr im Aufbau und der Anwendung dieses Werkzeugs unterscheiden solltet!
Im Aufbau gibt man das Markersignal, sobald der Hund den Auslöser entdeckt hat und belohnt ihn dann. Hat man dieses mehrmals wiederholt, wird der Hund in Erwartung an das Markersignal beim Anblick dieses Auslösers sich leicht zu seiner Bezugsperson orientieren – z.B. durch eine leichte Kopfbewegung, das Zucken eines Ohres. Dieses wird dann markiert. Mit der folgenden Belohnung führt man den Hund in ein Alternativverhalten. Das ist die Stufe, in welcher mit der Benennung des Auslösers begonnen werden kann. Benennt man zu früh, also in der Phase, in welcher der Hund noch sehr erregt ist, hat man mittels klassischer Konditionierung die Erregung mit dem Signal für den Auslöser verknüpft. Ist das passiert... shit happens! Die Deutsche Sprache hat so viele tolle Worte. Nehmt dann ein Neues!
Was kann man mit Zeigen und Benennen erreichen, wenn man aus der Anfangsphase bei bestimmten Auslösern raus ist? Wie schaut es aus mit der Anwendung?
Bin ich mit Zara unterwegs schaue ich sehr genau hin, wozu sie in der Lage ist. Wo braucht sie wie meine Unterstützung, in welchen Momenten kann sie alternatives Verhalten schon von alleine anbieten, wenn sie einen Auslöser selber gefunden hat, welches ich dann verstärken kann. Oder hat sie sogar einen Auslöser wahrgenommen, sich dann ins Alternativverhalten gebracht wie z.B. Abwenden oder Schnüffeln gehen und ich sehe, dass sie mit ihrer Entscheidung sehr glücklich ist, schicke ich oft "nur" noch ein verbales Lob hinter.
Es kommt mittlerweile immer häufiger vor, dass, wenn ich mit Zara durch die Straßen gehe und sie einen Hund auf der gegenüberliegenden Straßenseite erblickt, die beiden sich kurz Anschauen, Zara sich abwendet und schnüffelnd weiter trottet. Da lobe ich sogar teilweise nicht mehr verbal, sondern lächel vor mich hin. Sollte Zara mich anschauen, wird sie dieses Lächeln verstehen!
Fragen nach einem Auslöser tue ich, wenn ich mir sicher bin, dass Zara ihn nicht wahrnehmen konnte und sich erschrecken wird, oder wenn sie was entdeckt hat und es nicht einordnen kann. Bei letzterem senkt das Signal für das Etwas deutlich das Erregungsniveau und ich warte dann oftmals auf ihr Alternativverhalten.
Hinschauen lasse ich auch, wenn sie eigentlich nicht hinschauen möchte und den Auslöser meidet. Ich möchte nicht, dass sie Dinge meidet. Meidet/ignoriert sie Auslöser weiß ich, dass ihr etwas nicht behagt. Hat sie hingeschaut, sich mit dem Ding/Person/Tier auseinandergesetzt, ist es für sie dann ok! Sie konnte lernen!
Bei Tali entwickelt es sich in vielen Bereichen sehr ähnlich. Das Anzeigen von Hunden nutzen wir bei ihm jedoch häufig als Belohnung. Tali möchte ja Kontakt zu anderen Hunden. Dieses ist jedoch aus verschiedenen Gründen nicht immer möglich. Anstatt ihn im Fuß an anderen Hunden vorbei zu führen, möglichst noch ohne Blickkontakt zum Auslöser - ich schreibe das hier jetzt so, da ich diesen Wunsch von vielen Menschen lese - darf er, nachdem er ein Alternativverhalten angeboten hat, gerne wieder hinschauen! Noch toller für ihn ist es, wenn der dort schnüffeln darf, wo sich der Artgenosse befunden hat.
Im Wald ist "Zeigen und Benennen" in so fern praktisch, als dass wir:
- "Bambi gucken", "Häschen gucken" als Belohnung einsetzten können
- Tali fragen, wo ist das XY? Schaut er in den Wald, schnuppert hinein und schaut uns danach mit fragenden Augen an, ist es eine wertvolle Information für uns. Das Gebiet ist für ihn "wildfrei",er hat nichts gefunden und somit darf er gerne offline des Weges ziehen.
Ein Punkt bezieht sich auf beide Hunde, unabhängig von der Örtlichkeit. Als Mensch ist man dazu geneigt, auch nicht immer die volle Aufmerksamkeit auf den Hund und auf die Umwelt zu haben.
Mir ist es nicht möglich! Es gibt sie, die Momente, in denen ich vor mich hin träume, in denen meine Augen am Hinterkopf nicht funktionieren oder mir der Wind mein Gehör irritiert. Gut, wenn die Hunde dann für einen aufpassen!
Stehe ich irgendwo herum und genieße die Aussicht, weiß ich, wenn Zara mir mit der Pfote auf den rechten Fuß tippt oder meine Handfläche zum Anstubsen sucht, dass sie mir sagen möchte - Mama, ich hab ‘nen Hund gesehen!
Trödel ich träumend mit Tali durch den Wald, beobachte vielleicht noch das rege Treiben der Tierchen zwischen den Blättern auf dem Boden, bin ich sehr dankbar, wenn Tali stehenbleibt und geduldig in Richtung Rehe schaut, bis mein Gehirn mir funkt - Tali hat was gefunden!
Jeder mag jetzt selber darüber nachdenken, ob wir in den oben beschriebenen Fällen problematisches Verhalten nur kaschieren.
Viele Menschen wünschen sich einen Hund, welcher sich in unserer Umwelt trotz all ihrer Reize, welche sie für ihn parat hält, auf Basis unserer Vorstellungen am besten zu mehr als 100% angepasst verhält. Ein Hund jedoch kann sich nur so verhalten, wie es seine Genetik und sein bisher Erlerntes es zulassen! Je nach Konstellation von Mensch, Hund und Umwelt stellt das einen vor größere Herausforderungen im Training. Selbst ich als Mensch komme nicht auf 100%!
Veränderung von Verhalten braucht Zeit. Das merke ich täglich an mir selber. Je stärker ich emotional in eine Sache verwickelt bin, desto schwerer fällt es mir, mich in meinem Verhalten umzustellen. Dieses gestehe ich meinen Hunden ebenso zu. Sie bekommen alle Zeit, die sie zum Lernen brauchen. Wir trainieren weiter, von einer Etappe zur nächsten. Wohin die Reise führen wird? Ich weiß es nicht. Manchmal denke ich, das Potenzial der Hunde ist nun fast erschöpft und dann erstaunen sie mich wieder. Und mittlerweile weiß ich, dass da noch sehr viel mehr gehen wird. Ich freue mich auf unsere weitere gemeinsame Reise!
Nicole Dumke
Nicole Dumke
ist seit 2012 Trainerin im CumCane®-Netzwerk und Inhaberin der Hundeschule INUTO http://www.inuto-hundeschule.de/ in Pinneberg bei Hamburg. Nicole ist geprüftes Mitglied im IBH, dem Internationalen Berufsverband der Hundetrainer und der Pet Professional Guild.