EIN HUND AUS DEM TIERSCHUTZ
Eine wunderschöne Aufgabe wartet auf dich, ein Hund wird bei dir einziehen!
Nach reiflicher Überlegung soll es ein Hund aus dem Tierheim sein. Du hast dich auch schon im Internet umgeschaut und den einen oder anderen Hund gefunden, der dir gefallen würde. Am liebsten würdest du gleich losfahren und ihn holen. Aber ob das richtig ist? Oder deine Liste ist inzwischen so lang, dass du dich gar nicht mehr entscheiden kannst.
Deshalb möchte ich dir hier ein paar Punkte an die Hand geben, die dir bei deiner Suche helfen, aber auch dazu beitragen werden, dass dein zukünftiger Freund und Mitbewohner wirklich zu dir und deinem Leben passt. Schliesslich werdet ihr viele Jahre zusammen verbringen.
Deshalb lass dir Zeit mit der Auswahl deines Hundes. Je besser ihr und eure Bedürfnisse übereinstimmen, desto harmonischer wird euer Zusammenleben sein.
AUSWAHLKRITERIEN
Hier gilt es möglichst genau zu beschreiben, was dir bei deinem Hund wichtig ist. Als erstes die generellen Eigenschaften wie
- Wesensmerkmale (Charakter, Eigenständigkeit, Wachsamkeit, Jagdambitionen…)
- Bewegungs- und Beschäftigungsbedarf
- Gesundheitliches
- Aussehen, Grösse, Pflegebedarf
- Welpe bzw. erwachsener Hund
- Rüde oder Hündin
Aber auch deine eigene Lebenssituation und deine Bedürfnisse sind anzuschauen
- Hast du (kleine) Kinder?
Er darf keine Angst vor ihnen haben oder sie gar jagen wollen - Habt ihr andere Haustiere?
Auch für diese gilt das oben Gesagte - Wohnt ihr im Mehrfamilienhaus?
Begegnungen mit fremden Menschen und Hunden sollten ihm nichts ausmachen. - Hat dein Haus viele Treppen?
Kannst du einen verletzten Hund hochtragen? - Lebst du mitten in der Stadt?
Diese Umgebung sollte ihm keine Angst machen - Soll er mit ins Büro?
In dem Fall sollte es eher ein ruhiger Hund sein, der keine Probleme mit fremden Menschen hat - Muss er alleine bleiben können?
Kein Hund lernt dies in 2 oder 3 Wochen - Passt sein Bewegungs- und Beschäftigungsbedarf zu deinem?
- Hast du gesundheitliche Einschränkungen, die ein ziehender Hund verschlimmern könnte?
Schreib dir alles auf, was dir wichtig ist. Aber schreib dir auch auf, was du auf keinen Fall haben möchtest.
Je genauer du dies definierst, desto leichter fällt dir später auch die Auswahl. Du wirst aber auch "Negatives" besser annehmen können, wenn du dich vorher damit auseinandergesetzt hast und weisst, dass es auf dich zukommen könnte. Und auch die Fragen an die vermittelnden Organisationen werden viel präziser sein.
Ich schreibe hier in der Einzahl. Selbstverständlich gilt es auch die Bedürfnisse von weiteren Mitbewohnern zu berücksichtigen.
DIE SUCHE NACH DEM PASSENDEN HUND
Dank deiner Vorauswahl ist die Liste der möglichen Hunde hoffentlich schon etwas kleiner geworden.
Ansonsten nimm einfach weitere Auswahlkriterien hinzu. Deine Liste ist nun so übersichtlich, dass du dir die einzelnen Hunde genauer anschauen kannst. Hier solltest du dir nun die Stärken und Schwächen des einzelnen Hundes genau durchlesen. Und je präziser und individueller die Beschreibungen sind, desto sicherer kannst du sein, dass die Organisation sich ausführlich mit den einzelnen Hunden auseinandergesetzt hat. Und sie ihre Hunde auch nicht um jeden Preis, sondern nach bester Passung vermitteln möchte.
Wenn dann zusätzlich noch die folgenden Punkte stimmen, weisst du, dass eine seriöse Vermittlung stattfinden wird:
- Deine Fragen werden offen und ehrlich beantwortet
- Der Organisation liegt das Wohl des Hundes und der zukünftigen Besitzer am Herzen
- Sollte sie der Meinung sein, dass der Hund nicht zu dir passt, lehnt sie die Anfrage begründet ab. Wenn sie kann, schlägt sie dir einen anderen Hund vor
- Es finden ausführliche Vor- und Nachkontrollen bei dir Zuhause statt.
- Sie unterstützt dich beim Transport oder führt ihn selbst durch
- Sie steht euch auch später bei Fragen und Problemen zur Seite
- Sollte der Hund aus irgendwelchen Gründen nicht bei dir bleiben können, unterstützt sie dich bei der Suche nach einem neuen Zuhause oder nimmt ihn erst einmal bei sich auf
Die Hunde sind gut versorgt
- Alle Hunde werden bei der Aufnahme medizinisch untersucht (inkl. Mittelmeer-Erkrankungen, wo das Risiko besteht)
- Alle notwendigen Impfungen sind im Ausweis vermerkt
- Welpen werden nicht bewusst älter gemacht, um die Einfuhrregeln zu umgehen (mind. 12 Wochen alt für die Tollwut-Impfung und 15 Wochen, um ins Ausland zu reisen)
- Es werden keine Frühkastrationen durchgeführt (ausser sie sind medizinisch notwendig)
Ebenfalls positiv zu bewerten ist, wenn die Organisation…
- mit ausgebildeten Pflegestellen zusammenarbeitet, die den Hund auf sein neues Leben vorbereiten
- dir die Möglichkeit gibt, den Hund zu besuchen oder dich mit der Pflegestelle auszutauschen
- dir eine Liste mit positiv und achtsam arbeitenden Hundetrainern in deiner Umgebung mitgibt
- keine generelle Kastrationspflicht vorschreibt, weil sie weiss, dass diese auch negative Auswirkungen haben kann
Und wenn es am Ende anders kommt und du dich wider besseren Wissens einfach in einen Hund verliebst und diesem ein Zuhause gibst, dann ist das absolut in Ordnung.
Sei dir dann einfach bewusst, dass du noch mehr Rücksicht auf seine Bedürfnisse nehmen musst als ohnehin schon, und dass es vielleicht länger dauert, bis er alte Verhaltensweisen ablegt. Aber wenn du ihm und dir die Zeit lässt, dann könnt auch ihr zu einem tollen Team zusammenwachsen.
Und wenn es dann für Alle passt, steht einem schönen Zusammenleben nichts mehr im Weg.
ADOPTION DIREKT AUS DEM SHELTER / TIERHEIM
Die meisten dieser Hunde kennen in der Regel nicht viel von den Dingen, die sie bei dir vorfinden werden, oder haben mit einigen vielleicht sogar schlechte Erfahrungen gemacht. Und auch wenn ein Hund im Shelter gut mit anderen Hunden auskommt, gilt das nicht zwingend auch für fremde Hunde. Oder er war von ihnen vielleicht so eingeschüchtert, dass er draussen keine mehr in seiner Nähe haben möchte.
Leider finden sich auch immer wieder Vermittlungsvideos, die zeigen sollen, wie lieb der Hund ist und wie sehr er es mag, gestreichelt zu werden. Schaut man aber genauer hin, erkennt man, wie angespannt die Hunde oft sind und dass ihr Wedeln keine Freude ausdrückt. Der Hund akzeptiert es vielleicht von den bekannten Betreuungspersonen und lässt es vermeintlich klaglos über sich ergehen. Das heisst aber nicht, dass er nicht um sich schnappen wird, wenn er im neuen Zuhause von fremden Menschen angefasst wird.
Die freundliche Einschätzung ist gut gemeint. Aber es darf nicht vergessen werden, dass viele dieser Tierheim-Mitarbeiter unentgeltlich und ohne spezifische Aus- oder Weiterbildung dort arbeiten.
WAS GESCHRIEBEN STEHT
So wichtig das Geschriebene im Internet oder einem Inserat ist, das Nicht-Geschriebene verrät dir oft ebenso viel.
Vieles kann mit gutem Training abgebaut werden. Es gibt aber auch Dinge, die man mit einem noch so guten und achtsamen Training nie ganz verändern wird. So bleibt ein Jagdhund immer ein Jagdhund, der an vielen Orten vielleicht nie von der Leine gelassen werden kann.
Hinzu kommt, dass viele dieser Hunde Ängste und Unsicherheiten mitbringen, und es kann Monate, wenn nicht gar Jahre an Training brauchen, bis sie das Leben des Hundes nicht mehr so stark belasten. Vielleicht ist dann neben dem Trainer auch noch die medizinische Unterstützung eines Verhaltens-Tierarztes notwendig, und beides kostet Geld.
DESHALB SCHAU GENAU HIN
Jeder Hund wird mit einer Vorgeschichte zu dir kommen und es wird nach seinem Einzug in den wenigsten Fällen einfach nur rund laufen. Aber je bewusster du dir deinen Hund auswählst und auch hinschaust, von welcher Organisation du ihn adoptierst, desto weniger Überraschungen wird es geben. Oder dann im positiven Sinn.
Vergleiche aber auch, wie und wo der Hund bis jetzt gelebt hat und wie viel Ähnlichkeiten es mit deinem Umfeld gibt. Nicht jeder Hund kommt damit klar, vom der Stadt aufs Land (und umgekehrt) oder in eine andere Kultur verpflanzt zu werden.
Auch die Aussage, dass die Hunde aus dem Ausland gut auf andere Hunde sozialisiert sind, gilt heute weniger als früher. Denn statt aus Italien und Spanien stammen immer mehr Hunde aus dem Osten und gerade die Wollenknäuel können einen Herdenschutzanteil nicht verleugnen. Diese Hunderassen haben oft besondere Bedürfnisse an ihr neues Leben.
Damit möchte ich nicht sagen, dass diese nicht adoptiert werden sollen, denn oft sind es ganz tolle, der Familie zugewandte Hunde. Aber sei dir ihrer speziellen Bedürfnisse und Verhaltensweisen bewusst. Schau in diesen Fällen noch genauer hin und frag der Organisation Löcher in den Bauch. Eine seriöse Orga wird dies positiv aufnehmen. Und sie wird dir die Fragen auch so gut wie möglich beantworten. Denn sie ist wie du daran interessiert, einen passenden Platz für ihre Hunde zu finden.
Auch ein Welpe ist kein unbeschriebenes Blatt. Bei diesem kann man jedoch davon ausgehen, dass er sich schneller einleben wird, wenn der Rest passt. Aber auch er wird seine Gene und seine Vorgeschichte nicht verleugnen können.
EBENFALLS WICHTIG
Selbst wenn ein Verein nach bestem Wissen und Gewissen vermittelt, kann sich ein Hund im neuen Zuhause anders entwickeln, als er sich im Tierheim gezeigt hat. Ganz oft sind die Ursachen den veränderten Lebensbedingungen geschuldet.
Denn selbst wenn die Organisation den Hund noch so gut in unterschiedlichen Situationen beobachtet hat, kann sie nie zu 100% das neue Zuhause abbilden. Auch fehlt vielen Hunden, die bis anhin in Hundegruppen gelebt haben, als Einzelhund deren Sicherheit. Auch kann ein Hund trotz einer noch so seriösen medizinischen Abklärung krank werden.
Und wie wir uns erst an einem neuen Ort einleben und dessen Sitten und Gebräuche kennenlernen müssen, so geht es auch unseren Hunden. Die Erfahrungen zeigen, dass es ein halbes Jahr und länger dauern kann, bis ein Hund angekommen ist und dir so vertraut, dass er seinen Schutzpanzer ablegen kann. Sei daher nicht überrascht, wenn du dann neue Verhaltensweisen entdeckst oder wenn er plötzlich beginnt, dich oder sein Zuhause gegen andere Hunde zu verteidigen. Denn vielleicht hat er zum ersten Mal ein richtiges Daheim, welches er nicht verlieren möchte.
Aber in all diesen Fällen sollte die Organisation Ansprechpartner bleiben (insbesondere, wenn die Vermittlung noch nicht lange zurückliegt) und dich nicht abwimmeln oder dir gar die Schuld dafür geben.
DEIN HUND IST DA
Und wenn dann der Hund bei dir angekommen ist, gib ihm die Zeit, die er braucht, um sich einzuleben - egal ob es Wochen oder Monate dauert. Geh alles langsam und in seinem Tempo an. Denn er muss alles neu lernen. Auch Hunde von einer Pflegestelle müssen dich und dein Umfeld erst entdecken.
Bedenke bei einem erwachsenen Hund, dass er sein eigenes Leben und seine Erfahrungen mitbringt, die du selber auch erst einmal erforschen und kennenlernen musst, und dass er vielleicht genau wie wir nicht einfach angefasst werden möchte.
Sichere deinen Hund gut, am besten mit einem Sicherheitsgeschirr, welches einen doppelten Bauchgurt besitzt. Binde einen wirklichen Angsthund mit einer zusätzlichen Leine an dir fest. So ist er noch gesichert, sollte dir die andere Leine aus der Hand fallen. Benutze keine Flexileine, die Geräusche könnten ihn erschrecken. Und lass ihn auch nicht ungesichert in den Garten. Dein Hund kennt dich noch nicht und wird bei Erschrecken nicht zu dir flüchten, sondern das Weite suchen. Wovon die unzähligen Suchanzeigen kurz nach Einzug zeugen.
Und zu guter Letzt hab Freude daran, deinen Hund zu entdecken und mit ihm gemeinsam sein neues Leben zu erobern.
Autorin und Bilder:
© 2020 Monika Oberli, Teamschule.ch
Auf dieser Seite werden auch Tierschutzorganisationen genannt, die von Monika geprüft wurden und obigen Kriterien entsprechen.
Fairerweise sollte man aber dazu sagen, dass es in Vereinen leider sehr schnell zu Wechseln im Vorstand und damit auch in der Verhaltensweise der Vereine kommen kann.
https://teamschuleblog.wordpress.com/2020/08/10/empfehlenswerte-tierschutz-organisationen/