Hunde aus dem Auslandstierschutz Teil II

Die ersten Wochen

Der braucht doch, der muss doch ...!
Natürlich brauchen Hunde Bewegung, Beschäftigung, Kontakt zu Artgenossen und vieles mehr.
Und irgendwann müssen sie sich mal in unseren Alltag integrieren: Ein paar Stunden alleine bleiben, im Auto mitfahren, uns zu unserem Arbeitsplatz oder zu Familienfeiern begleiten, manierlich an der Leine gehen ...

Wenn nun aber unsere wohlmeinenden Versuche, dem Hund ausgedehnte Spaziergänge, einen Gruppenkurs in der Hundeschule, oder den Besuch eines Hundefreilaufes angedeihen zu lassen, diesen einfach nur überfordern, dann hat er keinerlei Nutzen davon. Im Gegenteil: Der Stress, in den er hierdurch unter Umständen gerät, schadet seiner Gesundheit und Ihrer beider Beziehung.
Versprochen: Sie fügen Ihrem Hund keinerlei Schaden zu, wenn all das in den ersten Wochen unterbleibt. Beobachten Sie ihn: Wann ist er entspannt und freudig dabei? Wann wirkt er eher verzagt und zögerlich? Bieten Sie ihm solche Aktivitäten an, die ihm Freude machen – das Bewältigen unerfreulicher Situationen können Sie auch später noch üben. Wenn Sie dabei über „Futterbröckchen rollen auf dem Wohnzimmerteppich“ in der ersten Zeit nicht hinauskommen, macht das gar nichts!

unsicherheit3Sie müssen doch aber mit Ihrem Hund trainieren? Tun Sie schon!
Sie lehren ihn, dass er sich in Ihrer Nähe entspannen kann, dass es sinnvoll und erfreulich ist, etwas mit Ihnen gemeinsam zu unternehmen, dass Sie seine Bedürfnisse erkennen und berücksichtigen. Sie schaffen eine Basis, auf der sie sich mit dem ganzen „brauchen“ und vor allem mit dem „müssen“ später sehr viel leichter tun werden.

Vor allem für solche Dinge, die sein müssen, sollten Sie einen Notfallplan in der Tasche haben:
Auch wenn Sie mit Ihrem Arbeitgeber geklärt haben, dass Sie Ihren Hund mit zur Arbeit bringen dürfen, könnte es sein, dass der Hund mit dieser Situation völlig überfordert ist. Oder schon den Weg dorthin nicht übersteht, weil das jeweilige Verkehrsmittel ihn derzeit noch zu Tode ängstigt. Und selbst, wenn Sie nur halbtags arbeiten, könnte es sein, dass Ihr Hund nicht einmal eine Stunde lang allein zu Hause bleiben kann.
Bitte klären Sie vorher mit Freunden / Nachbarn / Familienmitgliedern, ob und in welchem Umfang diese Sie zu unterstützen in der Lage wären, oder nehmen Sie Kontakt zu einem vertrauenswürdigen Dogsitter auf.

Vertrauen erarbeiten
Nehmen wir einmal an, ich hätte Angst vor Hunden. Nehmen wir weiter an, ich befände mich in einer Umgebung, die mir sehr unheimlich ist. Nun nähert sich eine finstere Gestalt in einem wallenden Umhang – weder kann ich ihr Gesicht erkennen, noch sehe ich, ob sie vielleicht bewaffnet ist. Will sie mich angreifen?
Wenn nun der Hund, den ich bis gerade eben noch sehr gefürchtet habe, die unheimliche Gestalt in die Flucht schlägt, werde ich unwillkürlich Vertrauen entwickeln. Nähert sich erneut eine Gestalt, werde ich wieder auf ihn hoffen. Beschützt er mich weiter, werde ich in seiner Nähe bleiben wollen.
Genau das können Sie auch für Ihren Hund tun!
Ganz egal, ob Sie ihn aus der vermeintlichen Gefahrenzone bringen, potentielle Gefahren abchecken, oder „Feinde“ in die Flucht schlagen (Näheres finden Sie im Text zum Thema „Unsicherheit“): Er wird beginnen, sich in Ihrer Nähe sicher zu fühlen.

Verständnis entwickeln
Verstehen Sie Hündisch?
Hunde verfügen über eine feine und höchst differenzierte Körpersprache, an der wir recht genau ablesen können, wie sie sich gerade fühlen.
Haben Sie jemals versucht, sich irgendwo im Ausland radebrechend und mit Unterstützung von Händen und Füßen verständlich zu machen? Und war es nicht wunderbar, wenn man bei solchen Gelegenheiten auf jemanden stieß, der die eigene Sprache verstand?
Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, das Ausdrucksverhalten von Hunden deuten zu lernen. Wenn Sie auf Nummer sicher gehen wollen, ziehen Sie eine/n TrainerIn hinzu und lassen Sie sich dabei helfen, das Verhalten Ihres Hundes richtig zu interpretieren.
Wenn Sie gelernt haben, zu sehen, wann Ihr Hund beginnt, sich unwohl zu fühlen, können Sie ihm helfen, bevor er Angst bekommt. Sie laufen nicht Gefahr, ihn zu überfordern, weil Sie frühzeitig merken, wenn ihm etwas zu viel wird. Und Sie können Situationen, in denen er sich wohlfühlt und entspannt, gezielt schaffen.

Erste Übungen
Noch einmal: Ein Straßenhund, den wir in unseren Alltag verpflanzen, benötigt unter Umständen jede wache Sekunde, um sich darin zurechtzufinden. Der ist fürs erste beschäftigt genug!
Dennoch mag der eine oder andere Kapazitäten frei haben, ein paar erste Signale zu erlernen, zumal dann, wenn das gemeinsame Tun ihm Freude macht.
Seinen Namen zum Beispiel. Oder ein Signal zum Herankommen.
Ganz oft höre ich, dass der Hund das Erlernen von Signalen geradezu einfordere.
Und seltsamerweise scheint eine der ersten Verhaltensweisen, die bei solchen Gelegenheiten angeboten wird, das „Pfötchen geben“ zu sein.
Warum – von allen Dingen, die man einem Hund beibringen kann – ausgerechnet das „Pfötchen“?
„Pföteln“, das Heben einer Vorderpfote ist eine Geste der Unsicherheit und der Beschwichtigung.
Fange ich diese ein, indem ich sie belohne und unter Signal stelle, füge ich dem Hund selbstverständlich keinen Schaden zu!
Nur die eigentliche Botschaft „Ich bin verunsichert!“ verhallt dabei leider ungehört ...

Denken Sie sich nix dabei, wenn Ihr Hund sich beim Lernen schwertut.
Stellen Sie sich vor, Sie seien mit dem Großeinkauf vor einem langen Wochenende mit Familienbesuch beschäftigt. Soeben hat Ihr Chef sie auf dem Handy angerufen und Sie kritisiert, weil Sie eine Aufgabe nicht zu seiner Zufriedenheit gelöst haben. Und jetzt komme ich um die Ecke und möchte die erste Lektion „Chinesisch für Anfänger“ mit Ihnen durcharbeiten.
Das wird nicht klappen ...
Wer unter Stress leidet, kann in diesem Moment nicht lernen, da geht es unseren Hunden nicht besser als uns. Wenn Ihr Hund also noch Zeit braucht, bis er sich auf eine Übung konzentrieren kann, lassen Sie sie ihm. Sie werden beide viel mehr Freude daran haben wenn Sie den geeigneten Moment abwarten.

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Iris Blitz

Iris  Blitz
Hundetrainerin
Lebt heute mit Australian Shepherd Oskar und drei arbeitenden Pyrenäenberghunden auf einem Kastanienhof in Südfrankreich.
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