Vom richtigen Umgang mit Territorialverhalten

Inga Jung |

Dass Hunde Besuch oder auch Post- und Paketbot:innen nicht ins Haus lassen möchten, kommt recht häufig vor. Nicht immer, aber sehr oft steckt Territorialverhalten dahinter.

Territorialverhalten

Es ist dabei wichtig zu wissen, dass territoriales Verhalten angeboren ist. Im Laufe der letzten Jahrhunderte haben Menschen territoriales Verhalten in manchen Hunderassen züchterisch verstärkt und in anderen gebremst, je nachdem, welche Aufgaben diese Hunde zu erfüllen hatten. Das bedeutet, es ist keine Unart, die der Hund sich angewöhnt hat, sondern es steckt in seinen Genen, ob er sich territorial verhält oder nicht.

Im Klartext: Man kann Territorialverhalten nicht abtrainieren. Die gute Nachricht ist: Man kann lernen, gut damit umzugehen und sein Leben so gestalten, dass es keine Probleme bereitet.

Man erkennt Territorialverhalten daran, dass der Hund andere Hunde und Menschen auf neutralem Gelände (also z.B. auf einem ihm neuen Spazierweg) toleriert. In seinem Haus oder seiner Wohnung und der näheren Umgebung aber reagiert er weniger freundlich auf andere Hunde und Menschen. Wobei es hier individuelle Abstufungen gibt und mancher Hund z.B. nur gleichgeschlechtliche Hunde aus dem eigenen Revier vertreibt.

Hat man hingegen einen Hund, der immer und überall Probleme mit anderen Hunden (oder auch mit Menschen) hat, dann ist das kein Territorialverhalten. In so einem Fall steckt meist Unsicherheit hinter dem Verhalten, und daran kann man durchaus arbeiten. Es ist wichtig, diese Unterschiede zu erkennen, um nicht vorschnell aufzugeben, obwohl dem Hund durchaus geholfen werden könnte.

Was bedeutet das für uns?

Wer einen territorial motivierten Hund zu Hause hat, der sollte sich von der Idee eines offenen Hauses, in dem Besucher:innen – Fremde wie Bekannte – nach Belieben ein- und ausgehen können, besser verabschieden. Das wird sich der Hund nicht lange untätig ansehen.

Ebenso ist es keine gute Idee, beispielsweise Handwerker:innen oder einer Haushaltshilfe den Schlüssel zu geben und zu bitten, schon mal mit der Arbeit anzufangen, während der Hund allein zu Hause ist. Das ist nicht nur fahrlässig, sondern auch dem Hund gegenüber unfair. Wenn es zu einem Unfall kommt, darf nicht dem Hund die Schuld gegeben werden, nur weil man selbst nicht aufgepasst hat.

Dieses Prinzip gilt im Grunde für alle Situationen: Vorausschauend denken, aufpassen, problematische Situationen erkennen und im Vorfeld durch gutes Management verhindern. Das ist der Schlüssel zu einem entspannten Leben mit einem Hund, der sich territorial verhält. Denn Territorialverhalten kann durchaus ernst gemeint sein. Man sollte es nicht auf die leichte Schulter nehmen.

Wenn Besuch oder Handwerker:innen ins Haus kommen oder dem Paketdienst die Tür geöffnet wird, dann sollte der Hund sich nicht im Eingangsbereich aufhalten. Denn ist er der Erste an der Tür oder läuft gar dem Besuch allein entgegen, dann kann es sehr schnell passieren, dass er versucht, diese Eindringlinge zu vertreiben. Das kann je nach Charakter mehr oder weniger heftig ausfallen und ist in keinem Fall eine gute Lernerfahrung für den Hund. Vom Schrecken der Besucher:innen mal ganz abgesehen.

Trainingsmaßnahmen

In solchen Situationen hat es sich bewährt, dem Hund bereits im Vorfeld durch positives Training beizubringen, in ein bestimmtes Zimmer zu gehen und dort ruhig zu warten. Das sollte natürlich kein Zimmer sein, das die Besucher:innen betreten, sondern eines, das der Familie vorbehalten ist. Ist diese Übung gut aufgebaut und dem Hund bekannt, dann kann sie im Zusammenhang mit den Geräuschen, die Besuch ankündigen, weiter trainiert werden (z.B. die Türklingel, das Geräusch eines Autos in der Einfahrt usw.). Klappt das auch gut, dann können die echten Besucher:innen kommen.

Wenn der Hund nicht mitbekommt, dass die Besucher:innen ins Haus gehen, sondern diese erst sieht, wenn sie sich bereits hingesetzt haben, nimmt das schon viel Spannung aus der Situation. Trotzdem sind Sicherungsmaßnahmen – je nach Hundetyp – zusätzlich angebracht, wenn Hund und Besuch im selben Raum sind. Zum Beispiel kann der Hund an der Leine gehalten werden, während der Besuch da ist. Oder er kann einen Maulkorb tragen (das muss natürlich vorher ebenfalls sorgfältig trainiert werden) oder in einer Hundebox liegen (auch das muss im Vorfeld gründlich geübt werden).

Wie man im Einzelnen diese Maßnahmen, also das Warten in einem Zimmer, das Tragen eines Maulkorbs oder auch das ruhige Bleiben in einer Hundebox, mit dem Hund trainiert und mit positiver Verstärkung aufbaut, erkläre ich genauer in meinem Buch. Du findest aber auch sicher hier im Blog den einen oder anderen Tipp dazu.

An gute Freunde der Familie gewöhnen sich auch territorial motivierte Hunde meist nach einer Weile, sodass die Sicherheitsvorkehrungen bei diesen dann wieder gelockert werden können.

Und wenn der Hund den Eindruck hat, dass seine Menschen die Situation immer sehr gut im Griff haben, dann kann man ihm meist auch bei ihm bisher unbekannten Besucher:innen nach und nach etwas mehr Freiraum gewähren. Das hängt aber sehr vom einzelnen Hund ab, und man sollte sein Verhalten immer gut beobachten.

Keinesfalls darf ein territorial motivierter Hund mit Besucher:innen oder Handwerker:innen allein im Raum gelassen werden. Sobald sein Mensch nicht mehr dabei ist, kann es gut sein, dass er sich diesen gegenüber bedrohlich verhält. Das ist Normalverhalten und nicht ungewöhnlich. Als Menschen sind wir immer in der Verantwortung, solche Situationen durch gutes Management zu verhindern. Also nehmen wir z.B. den Hund einfach mit, wenn wir den Raum verlassen müssen. Gutes Management kann ganz einfach sein.

Leben Kinder mit im Haus, dann ist es wichtig, auch diesen zu erklären, dass sie nicht einfach die Tür öffnen dürfen, wenn es klingelt, sondern zunächst einem Erwachsenen Bescheid geben, damit der Hund in sein „Wartezimmer“ gebracht wird. Am besten bezieht man sie direkt in das Zimmer-Training mit dem Hund mit ein und überträgt ihnen kleine Aufgaben, damit sie Spaß an dem neuen Ritual haben und gerne mitmachen.

Je besser die Handlungsabläufe etabliert und allen Familienmitgliedern – einschließlich dem Hund – bekannt sind, desto schneller und unkomplizierter geht es und alle werden bereitwillig dabei sein.

Schauplätze

Es gibt außer der Besuchs-Situation noch einige andere Punkte, die man mit einem territorial motivierten Hund beachten muss. Zum Beispiel verteidigen viele Hunde auch ihr Auto oder – wenn vorhanden – Wohnwagen und Wohnmobil. Auch Ferienwohnungen werden oft recht schnell als neues Revier angesehen und verteidigt, ebenso wie Zugabteile, eine Parkbank oder der Tisch im Restaurant. Wie man in diesen Situationen am besten reagiert und mit ihnen umgeht und wie genau sich das Verhalten aus Sicht des Hundes erklären lässt, ob Territorialverhalten etwas mit den Sexualhormonen zu tun hat und ob eventuell eine Kastration helfen könnte oder nicht, das erläutere ich alles in meinem Buch. Dort gehe ich auch auf das Bellen am Gartenzaun und territorial motivierte Bürohunde ein, und darauf, wie man am besten vorgeht, wenn ein Zweithund in die Familie aufgenommen werden soll, sowie auf weitere wichtige Aspekte im Zusammenleben mit einem territorial motivierten Hund.


Autorin: Inga Jung

… hat 2005 bei der ATN AG den Studiengang Hundepsychologie und -verhaltensberatung absolviert und bildet sich seitdem durch den Besuch von Seminaren regelmäßig weiter. Sie war fünf Jahre lang in Schleswig-Holstein als Hundeverhaltensberaterin tätig, hat diese Arbeit aber inzwischen auf die ehrenamtliche Arbeit für Tierschutzvereine eingeschränkt. Das dritte von ihr veröffentlichte Buch befasst sich mit allen Aspekten des Territorialverhaltens.

www.hunde-verhaltensberatung.de/
www.blog.hunde-verhaltensberatung.de/

 

Titelbild © Sabine Fehrenbach Fotografie